Kleine Beisserchen - Alleskönner Blutegel

WICHTIG: Dieser Beitrag soll nicht als Anleitung zum Egelsetzen dienen, sondern stellt lediglich einen Erfahrungsbericht dar. Eine Reihe von Erkrankungen schließen die Therapie mit Blutegeln dringend aus (Kontraindikationen). Es stehen in Deutschland viele Tierheilpraktiker zur Verfügung, die die Blutegeltherapie anbieten. Solltest Du tiefergehendes Interesse haben empfehle ich, ein Egelseminar zu besuchen.

Die Egel warten hungrig auf ihren Einsatz
Die Egel warten hungrig auf ihren Einsatz

Überblick

Die Blutegel- oder auch Hirudotherapie (nach dem Wirkstoff Hirudin, den der Egelspeichel enthält) wird in Europa seit über 2000 Jahren gehandhabt und war bis zum Ende des 19. Jahrhunderts fester Bestandteil der medizinischen Behandlung. Sie gehört zu den sogenannten ausleitenden Verfahren. Mit der synthetischen Entwicklung vieler Medikamente geriet sie jedoch nach und nach in den Hintergrund; lediglich in der Alternativmedizin fand sie weiterhin Beachtung.

Mit zunehmender Kritik an der konservativen Medizin und der Pharmaindustrie  sowie der wieder gestiegenen Beachtung der Naturheilkunde erfährt sie in den letzten 20-30 Jahren erneut eine zunehmende Beliebtheit.

Es liegen zwar nur wenige empirische Studien zur Wirksamkeit der Behandlung mit medizinischen Blutegeln vor, zahlreiche Berichte von Patienten zeugen jedoch von einer hohen Wirksamkeit in vielen Bereichen, was in der Forschung mit dem Placebo-Effekt begründet wird.

Dem entgegen steht die Wirksamkeit, die auch bei Tieren wie Pferden und Hunden nachweislich zu belegen ist.

 

So oder so: Nachgewiesen wurde in jedem Fall eine Wirkung der Inhaltsstoffe, die im Egelspeichel vorhanden sind. Hierzu zählen u.a. das bereits erwähnt Hirudin, welches die Blutgerinnung hemmt und aus dem auch Medikament zu diesem Zweck gewonnen werden sowie Eglin C, welches entzündungshemmend wirkt.

 

Grund genug für mich, diese Wundertierchen auch einmal auszuprobieren.

Vorab habe ich selbstverständlich ein Seminar bei besucht, welches die Grundlagen zur Blutegeltherapie, die Einsatzgebiete bzw. Indikationen aber auch Kontraindikationen sowie die Hälterung der Egel beinhaltete.

 

Wer Interesse daran hat, selbst solch ein Seminar zu besuchen,  dem kann ich die Dozentin Sybill Matzdorf sehr empfehlen. Weitere Infos zu Sybill findet Ihr hier.

Auch die Biebertaler Blutegelzucht bietet regelmäßig an verschiedenen Standorten Seminare an.

 

Das Anbeissen kann lange dauern, in diesem Fall hat es sofort geklappt
Das Anbeissen kann lange dauern, in diesem Fall hat es sofort geklappt

Ansetzen der Egel

Bevor man ich die Egel am Pferd ansetze, bereite ich einige Dinge vor:

  • Schraubgläser mit stillem Mineralwasser für die gesättigten Egel. Diese sollten nicht wieder zu den anderen Egelen gesetzt werden: Zum Einen, da die noch hungrigen Egel den satten angreifen könnten, zum Anderen aus Gründen der Sterilität.
  • Rasierer (Akku-Haarschneider und Nassrasierer)
  • Kompressen
  • Klebeband (Pflaster- oder Panzer- und Physiotape)
  • Babywindeln (Größe je nach Einsatzgebiet)
  • Latexhandschuhe
  • evt. Pinzette
  • Schnaps- oder Schröpfglas
  • Arnica Montana Globuli C30 zur Förderung der Wundheilung

 

In diesem Fall habe ich die Egel an eine weiche Galle am linken Sprunggelenk angesetzt. Man kann den Egel mit der Hand, mit einer Kompresse, einem Schnapsglas oder der Pinzette ansetzen. In diesem Fall waren die Egel bereits sehr hungrig und haben sich an allem festgesaugt, was Ihnen vor die Nase kam. Daher habe ich sie mit einer Pinzette aus dem Gefäß entnommen und in ein Schnapsglas gesetzt, welches dann an die zu behandelnde Region gesetzt wurde. Die gewünschte Bissstelle habe ich vorab glattrasiert (Stoppeln mögen Egel nicht); in manchen Fällen ist das Rasieren vorab aber nicht nötig, da die Egel i.d.R. auch durch das Fell zur Haut finden.

Das Anbeissen passierte in diesem Beispiel in nicht einmal einer Minute. In einem anderen Fall wollten die Egel nicht anbeissen, sodass die Haut mittels einer Akupunkturnadel "angestochen" wurde, um den Egeln einen zusätzlichen Anreiz durch das austretende Blut zu bieten, was auch funktionierte.

 

Wichtig: Raucher sollten in jedem Fall Latexhandschuhe tragen, da die Egel sehr sensibel auf Nikotingeruch reagieren und evt. nicht mehr beissen. Aus diesem Grund sollte auch die zu behandelnde Körperregion mindestens eine Woche vorher nicht mehr mit Salben oder Cremes eingerieben werden, da diese ebenfalls unangenehm für die Egel riechen.

 

Sitzt der Egel dann an Ort und Stelle, fällt er nicht ohne weiteres wieder ab, auch Bewegungen des Pferdes wie Aufstampfen o.ä. sind kein Problem. Im Allgemeinen sollte er aber in Ruhe seiner Arbeit nachgehen können. Um einen unsaften Aufprall nach dem Loslassen zu vermeiden, habe ich eine "Tasche" aus einer Kompresse und Physiotape gebastelt, das die Kompresse an drei Seiten umschließt und um die Bissstelle herum angeklebt wird. So landet der Egel nach dem Loslassen weich und sicher.

 

Nach ca. 30 Minuten ließen beide Egel mehr oder weniger zeitgleich los und landeten in der Tasche, aus der ich sie dann problemlos in das bereitgestellte Schraubglas setzte. Die "Saugzeit" variiert: von 15 Minuten bis zu 3 Stunden kann alles passieren. Auch die Größe der Egel spielt hierbei keine Rolle. In seltenen Fällen kann es passieren, dass die Egel an der Bissstelle einschlafen; ein wenig kaltes Wasser weckt sie auf und sie lassen los. Wie man mit den Egeln nach der Behandlung weiterverfährt, beschreibe ich weiter unten.

 

Die Nachblutung kann bis zu 48 Stunden anhalten
Die Nachblutung kann bis zu 48 Stunden anhalten

Nachbehandlung/Wundversorgung

Nachdem die Egel sicher verstaut sind, kann die entstandene Wunde ersteinmal noch 10-15 Minuten nachbluten, bevor man sie versorgt.

Vor allem im Sommer empfiehlt es sich, die Wunde mittels einer Kompresse abzudecken, die man mit Physiotape befestigen kann. Dieses ist elastisch und haftet zugleich gut auf Fell. An Stellen wie dem Sprunggelenk, die ständig in Bewegung sind, kann man alternativ eine Babywindel benutzen. Der Vorteil einer Windel ist zudem die gute Saugfähigkeit, was bei der bis zu 48 Stunden andauernden Nachblutung von Vorteil ist. Auch Bandagen können zur Befestigung der Kompresse verwendet werden, hierbei sollte darauf geachtet werden, sie nicht zu fest zu wickeln, damit das Abfließen des Blutes gewährleistet ist.

Ein Wechsel des Verbandmaterials sollte dennoch nach spätestens 12 Stunden erfolgen. Hat die Wunde sich final geschlossen, ist ein Verband nicht mehr nötig.

Sollte eine zweite Behandlung notwendig sein, kann diese nach 3-5 Tagen erneut erfolgen.

 

Eine Windel schützt die Bisstelle vor Schmutz und Ungeziefer
Eine Windel schützt die Bisstelle vor Schmutz und Ungeziefer

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